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Autor: Birgit Sfat Datum: 19.12.2025 Lesezeit: 5min |
LinkedIn. Zehn Posts über „AI-powered solutions“. Fünf Whitepapers über „data-driven innovation“. Drei Websites mit „transforming businesses through technology“.
Wer ist wer?
Schwer zu sagen.
KI hat Content-Produktion verändert. 87 Prozent der B2B-Marketing-Teams nutzen oder testen bereits KI-Tools.¹ Teams produzieren schneller. Sie produzieren mehr.
Aber wenn alle dieselben Tools nutzen, ist es kein Zufall, dass ähnliche Ergebnisse entstehen.
Wenn alle schnell sind, ist Speed keine Differenzierung mehr.
Was dann?
Im B2C war immer klar: Marke entscheidet. Apple gegen Samsung. Nike gegen Adidas. Coca-Cola gegen Pepsi. Die Produkte mögen ähnlich sein. Die Marken sind es nicht.
Im B2B dachten wir anders. Features zählen. Spezifikationen zählen. ROI zählt. Marke? Nice-to-have. Etwas für Konzerne mit Budget. Nicht für den Mittelstand.
Das hatte einen Grund: B2B-Kaufentscheidungen sind komplex. Mehrere Entscheider. Lange Zyklen. Technische Anforderungen. Da zählt doch das Rationale, nicht das Emotionale.
Aber hier ist das Problem: B2B-Käufer sind keine Maschinen. Sie sind Menschen.
Und diese Menschen haben sich verändert. Sie erwarten heute Experiences, wie sie sie aus dem B2C kennen. Klare Kommunikation. Verständliche Sprache. Marken, die eine Haltung haben.
Die Konsumerisierung des B2B ist keine Zukunftsvision mehr. Sie ist Realität.
HubSpot fühlt sich nicht an wie Salesforce. Slack nicht wie Microsoft Teams. McKinsey nicht wie Accenture. Der Unterschied liegt nicht in den Features. Der Unterschied liegt in der Marke.
Jahrelang konnten B2B-Unternehmen ohne starke Markenidentität überleben. Features und Preis reichten. Die Konkurrenz war begrenzt. Der Markt war überschaubar.
Heute reicht das nicht mehr.
Acht Länder, acht unterschiedliche Marketing-Prozesse – vor dieser Situation steht Manpower. Die Folge: Uneinigkeit darüber, welche Leads Priorität haben, sowie erschwertes Benchmarking und Austausch über Best Practices.
Um internationale Vergleichbarkeit zu schaffen und Lernprozesse im Unternehmen anzuregen, will das nordeuropäische Marketing-Team um Projektleiterin Tina Hingston ein länderübergreifend konsistentes Lead Scoring und Reporting einführen. Dafür holt sie sich Unterstützung des Strategiepartners andweekly.
Von der herausfordernden und zeitaufwendigen Rekrutierung geeigneter Fachkräfte sind Unternehmen in vielen Branchen und Regionen betroffen. Das Ziel von Manpower ist es, dem Personalmangel weltweit mit innovativen Lösungen zu begegnen. Die ManpowerGroup mit Hauptsitz in den USA und Niederlassungen in rund 80 Ländern zählt zu den weltweit führenden Unternehmen in der Personalbranche.
Kerngeschäft ist die Vermittlung von Fachkräften aus zahlreichen Branchen an Unternehmen, die sich nicht mit zeitaufwendigen Rekrutierungsprozessen beschäftigen wollen. Darüber hinaus hilft Manpower, kurzfristige Personalengpässe zu überbrücken und Produktionsspitzen mit geeigneten Human Resources auf Zeit abzufedern. Zum Unternehmen gehören zahlreiche Tochterunternehmen – darunter auch der IT-Dienstleister Experis, den wir bereits bei seiner Marketing-Strategie unterstützt haben.

Die ManpowerGroup unterhält in jedem Land ein eigenes Marketing-Team, das individuelle Ansätze im Online-Marketing verfolgt. Zwar wurde HubSpot als All-in-one-Plattform für Marketing in den meisten Landesgesellschaften etabliert, doch das HubSpot-Knowhow und der hinterlegte Lead-Management-Prozess sind sehr unterschiedlich.
Das Problem bei Manpower: Die uneinheitlichen Marketing-Prozesse der Landesgesellschaften führen zu inkonsistenter Lead-Qualifizierung: Ein Lead, der in einer Landesgesellschaft als Sales Ready eingestuft wird, kann in einer anderen als Marketing Qualified Lead (MQL) eingestuft werden.
Daraus ergeben sich für Manpower folgende Herausforderungen:
Mangelnde Vergleichbarkeit. Unterschiedliche Definitionen und Prozesse machen es schwierig, die Leistung und Effektivität von Marketing-Aktivitäten zwischen verschiedenen Landesgesellschaften zu vergleichen. Ohne einheitliche Standards können sie Best Practices nicht identifizieren und erfolgreiche Strategien kaum replizieren.
Schwierigkeiten bei Zusammenarbeit und Kommunikation. Inkonsistente Definitionen führen immer wieder zu Missverständnissen und Fehlkommunikation zwischen Marketing- und Vertriebsteams, insbesondere wenn diese länderübergreifend zusammenarbeiten.
Verpasste Verkaufschancen. Unterschiedliche und nicht immer optimale Definitionen von MQLs und SQLs bewirken, dass Mitarbeitende bestimmte Leads unter- oder überschätzen. Falsche Prioritäten in der Lead-Bearbeitung kosten wiederum wertvolle Ressourcen.
Standardisierung der Marketing-Automatisierungsprozesse für eine nahtlose Customer Journey in den verschiedenen Manpower-Landesgesellschaften
Entwicklung homogener Dashboards auf globaler Ebene zur einheitlichen Erfassung, Analyse und Vergleich der Performances von Marketing-Kampagnen
Optimierung der CRM-Strategie durch Implementierung von Best Practices für Lead-Erfassung, -Qualifizierung, -Scoring und Reporting mithilfe des HubSpot Marketing Hub
Erzielung von Effizienzgewinnen durch Reduzierung von Inkonsistenzen zwischen den Landesgesellschaften
Erhöhung der Transparenz zwischen den Landesgesellschaften hinsichtlich Lead-Generierung, Lead-Qualität und Marketing-Performance zur Verbesserung der Entscheidungsfindung und Performance
KI lernt von Daten. Von Texten, Bildern, Mustern. Sie lernt, was funktioniert hat. Was gut performt hat. Was als "Best Practice" gilt.
Das ist ihre Stärke. Aber auch ihre Limitation.
KI kann replizieren. Sie kann optimieren. Sie kann variieren.
Aber sie kann nichts wirklich Neues schaffen. Nichts, das es so noch nicht gab.
Wenn alle B2B-Unternehmen dieselben KI-Tools nutzen, um Content zu erstellen, passiert etwas Vorhersehbares: Der Output konvergiert. Alle schreiben über "Innovation". Alle versprechen "Transformation". Alle positionieren sich als "Leading Provider".
Die Harvard/BCG-Studie zeigt das messbar: 40 Prozent weniger kreative Vielfalt.² Nicht weil die Tools schlecht sind. Sondern weil sie auf denselben Trainingsdaten basieren. Weil sie dieselben Muster gelernt haben.
Das Problem verschärft sich mit jedem Unternehmen, das auf KI setzt. Es entsteht eine Homogenisierung. Alle klingen ähnlich. Alle sehen ähnlich aus. Alle versprechen Ähnliches.
In einem Markt, in dem alle dasselbe sagen, gewinnt nicht der mit dem besten Content. Sondern der mit der klarsten Identität.
KI kann Texte schreiben. Designs generieren. Prozesse automatisieren. McKinsey schätzt: Bis 2030 könnten 30 Prozent der Arbeitsstunden automatisiert werden.³
Aber es gibt etwas, das KI nicht kann: Werte entwickeln.
Sie kann keine Haltung haben. Sie kann nicht entscheiden, wofür ein Unternehmen steht. Sie kann nicht definieren, was eine Marke einzigartig macht.
KI ist ein Verstärker. Sie verstärkt, was bereits da ist. Wenn eine Marke unklar ist, verstärkt sie Unklarheit. Wenn eine Marke klar ist, verstärkt sie Klarheit.
Das ist die Regel: Ohne klares Fundament wird KI zum Problem. Mit klarem Fundament wird sie zum Beschleuniger.
Lauren Shufran, Content-Strategin, formuliert es so: "AI will get better at voice, but it'll never develop values. The companies that win will be the ones who knew what they believed before they ever touched AI."⁵
Genau das ist der Punkt. Die Frage ist nicht: Wie gut nutzen wir KI? Die Frage ist: Wissen wir, wer wir sind?
Markenidentität ist nicht das Logo. Nicht die Farben. Nicht der Claim.
Markenidentität ist das Fundament, auf dem alles andere aufbaut. Drei Fragen definieren dieses Fundament:
Das ist nicht das "Was" (was verkaufen wir), sondern das "Warum" (warum existieren wir). Es ist die Perspektive, mit der ein Unternehmen auf seinen Markt schaut. Der Filter, durch den Entscheidungen getroffen werden.
Slack steht für: "Work should be pleasant." Nicht nur produktiv. Pleasant. Das ist eine Haltung. Sie zeigt sich in der Sprache (Humor statt Corporate-Speak), im Design (playful statt steril), in den Features (Emojis, GIFs, Integration statt Isolation).
Diese Haltung kann KI nicht entwickeln.
Nicht: Was machen wir besser. Sondern: Was machen wir anders.
Ahrefs hätte sich als "besseres SEO-Tool" positionieren können. Stattdessen positionieren sie sich durch Original Research. Sie veröffentlichen Daten, die niemand sonst hat. Sie zeigen Insights, die sonst nicht verfügbar sind.
Diese Expertise entsteht nicht durch KI. Sie entsteht durch jahrelange Arbeit, eigene Daten, spezifisches Wissen.
Mailchimp richtet sich bewusst an Small Business, nicht an Enterprise. Sie wollen Marketing "easier" machen, nicht "powerful". Diese Entscheidung schließt bewusst aus. Und genau das macht sie stark.
Dieses Fundament bildet die Basis für alles Sichtbare:
Mailchimp spricht anders als HubSpot. HubSpot spricht anders als Salesforce. Nicht weil sie andere Zielgruppen haben. Sondern weil sie unterschiedliche Identitäten haben.
Diese Identität kann KI nicht erfinden. Aber sie kann sie inkonsistent machen, wenn sie nicht klar definiert ist.
Die Herausforderung ist nicht, KI zu nutzen. Die Herausforderung ist, zu wissen, was von dem, was KI produziert, tatsächlich zur Marke passt.
20 AI-generierte Varianten eines Textes. Welche ist die richtige?
Das ist keine Geschmacksfrage. Das ist eine strategische Frage. Sie erfordert eine Kombination aus strategischem Urteilsvermögen und Gespür für Sprache und Gestaltung.
In vielen B2B-Unternehmen fehlt diese Klarheit. Fünf Personen im Team beschreiben die Marke unterschiedlich. Es gibt keine gemeinsame Sprache. Keine klaren Leitplanken. Keine definierten Entscheidungskriterien.
In diesem Umfeld wird KI zum Problem. Sie produziert viel. Aber was davon passt? Was davon ist "on-brand"? Ohne klare Antwort wird Content beliebig.
Das ist der Grund, warum manche Unternehmen mit KI erfolgreich sind – und andere nicht. Nicht weil die einen bessere Tools haben. Sondern weil sie wissen, wofür sie stehen.
Erfolgreiche B2B-Marken haben etwas gemeinsam: Sie produzieren nicht einfach mehr Content. Sie produzieren konsistenten Content.
Konsistenz entsteht nicht durch KI. Konsistenz entsteht durch Klarheit.
Slack nutzt Humor. Nicht weil es trendy ist. Sondern weil es zu ihrer Mission passt: "Make work life more pleasant." Jeder Post, jede E-Mail, jeder Hilfe-Artikel reflektiert das.
Mailchimp ist playful. Das Chimp-Maskottchen, die weichen Farben (Pink, Yellow, Green), die zugängliche Sprache. Alles zahlt auf dieselbe Identität ein. Sie richten sich an Small Business, nicht an Enterprise. Sie wollen Marketing "easier" machen, nicht "powerful". Das ist eine bewusste Entscheidung.
Ahrefs setzt auf Substanz. Original Research, detaillierte Analysen, tiefe Insights. Ihre Content-Strategie basiert auf eigenen Daten. Das kann niemand kopieren. Auch nicht mit KI.
Was diese Marken eint: Sie wussten, wer sie sind, bevor sie skaliert haben. KI hilft ihnen jetzt, diese Identität zu skalieren. Aber sie hat sie nicht geschaffen.
Das LinkedIn B2B Institute hat mit Les Binet und Peter Field erforscht, was B2B-Marken wachsen lässt. Das Ergebnis: Langfristiges Brand Building schlägt kurzfristige Taktiken.⁴
Die erfolgreichsten Unternehmen investieren 60 Prozent in langfristige Markenarbeit, 40 Prozent in kurzfristige Sales-Aktivierung.⁴
Warum funktioniert das?
Marke schafft Vertrauen. Vertrauen verkürzt Sales-Zyklen. In komplexen B2B-Kaufentscheidungen mit mehreren Stakeholdern ist Vertrauen der entscheidende Faktor. Nicht Features. Nicht Preis. Vertrauen.
Wenn zwei Anbieter technisch vergleichbar sind, gewinnt der, dem die Buyer Group vertraut. Und Vertrauen entsteht nicht durch Kampagnen. Es entsteht durch Konsistenz über Zeit.
Das ist der Grund, warum kurzfristige KI-beschleunigte Content-Produktion alleine nicht reicht. Sie kann Reichweite schaffen. Sie kann Aufmerksamkeit generieren. Aber Vertrauen? Vertrauen braucht Substanz. Und Substanz braucht Zeit.
KI hat eine Demokratisierung ermöglicht. Kleine Teams können jetzt Output produzieren, für den sie früher große Agenturen gebraucht hätten. Das ist eine Chance.
Aber es ist auch ein Wendepunkt. Denn in dem Moment, in dem alle Zugang zu denselben Tools haben, verschiebt sich der Wettbewerb. Weg von "Wer hat die Ressourcen?" Hin zu "Wer hat die Klarheit?"
Es gibt ein Window of Opportunity. Genau jetzt. In den nächsten 12-24 Monaten wird sich entscheiden, welche B2B-Marken differenziert bleiben – und welche austauschbar werden.
Die, die jetzt in Markenidentität investieren, haben einen Vorsprung. Diese Arbeit erfordert Zeit, externe Perspektive und systematisches Vorgehen. Aber sie ist die Investition, die sich auszahlt.
Die, die warten, werden es schwerer haben. Denn je mehr Unternehmen generischen KI-Content produzieren, desto wertvoller wird Differenzierung.
Das ist keine Esoterik. Das ist Business.
Drei Schritte:
Erstens: Die drei Fragen beantworten. Wofür stehen wir? Was macht uns anders? Für wen sind wir da? Nicht oberflächlich. Sondern mit Tiefe. Mit Konsistenz. Mit Klarheit.
Zweitens: Kollektive Klarheit schaffen. Fünf Personen im Team sollten die Marke gleich beschreiben können. Wenn das nicht funktioniert, gibt es kein gemeinsames Verständnis. Jeder produziert unterschiedlichen Content. Jeder schreibt andere KI-Prompts. Das Ergebnis ist keine Marke, sondern Beliebigkeit.
Drittens: Ausdrucksformen definieren. Wie sprechen wir? Wie sehen wir aus? Welche Bildsprache passt? Welche Typografie? Welcher Ton? Das sind keine Geschmacksfragen. Das braucht klare Kriterien: Was ist on-brand? Was nicht? Diese Leitplanken machen KI zum Verstärker – für Sprache UND Gestaltung.
Das ist keine schnelle Übung. Es braucht strategisches Denken, kreative Konsistenz und systematische Umsetzung. Aber es ist die Arbeit, die den Unterschied macht.
KI macht alle schneller. Aber Speed ist keine Strategie.
Die unbequeme Wahrheit ist: Viele B2B-Unternehmen haben keine klare Markenidentität. Jahrelang ging das. Features und Preis reichten. Heute nicht mehr.
KI verstärkt, was bereits da ist. Wenn die Basis unklar ist, wird der Output unklar. Wenn die Basis klar ist, wird der Output klar.
Die entscheidende Frage ist nicht: Wie nutzen wir KI besser?
Die entscheidende Frage ist: Wissen wir, wofür wir stehen?
B2B-Käufer sind Menschen. Sie treffen Entscheidungen nicht nur rational. Sie treffen sie basierend auf Vertrauen. Und Vertrauen entsteht nicht durch Features. Es entsteht durch Marke.
Wer jetzt handelt, hat einen Vorsprung. Wer wartet, riskiert, einer von vielen zu werden.
Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann.
¹ ON24 (2024): The State of AI in B2B Marketing. Survey of 500+ B2B marketers
² Dell'Acqua, F., McFowland III, E., Mollick, E., Lifshitz-Assaf, H., Kellogg, K., Rajendran, S., Krayer, L., Candelon, F., & Lakhani, K. R. (2023): Navigating the Jagged Technological Frontier: Field Experimental Evidence of the Effects of AI on Knowledge Worker Productivity and Quality – Harvard Business School Working Paper No. 24-013 / Boston Consulting Group
³ McKinsey (2024): The State of AI in 2024: GenAI adoption spikes and starts to generate value
⁴ LinkedIn B2B Institute / Binet, L. & Field, P.: The 5 Principles of Growth in B2B Marketing - Research on balancing brand building and sales activation
⁵ Shufran, L. (2025): LinkedIn Post on AI and brand values